Menschen machen. Prokreation, Natur, Künstlichkeit

Im 19. Jahrhundert wimmelte es von Spekulationen über die Zukunft der Fortpflanzung. Das gilt für das soziale und politische Imaginäre ebenso wie für biologische und medizinische Debatten. Feministinnen aus dem Umkreis des utopischen Sozialismus forderten das Recht auf autonome Mutterschaft, während der „Gründervater“ der Soziologie - Auguste Comte - überzeugt war, dass sich im weiteren Verlauf der Evolution bei den Menschen die Jungfernzeugung entwickeln und Sexualität unnötig machen werde. Zur selben Zeit erwogen Naturforscher und Physiologen die Möglichkeiten technologischer Zeugung beim Menschen und Ärzte experimentierten mit künstlicher Befruchtung. Zusammen brachten all diese Spekulationen und Experimente eine ebenso utopische wie dystopische Bilderwelt künftiger menschlicher Fortpflanzung hervor. Diese Bilderwelt war von Ängsten und Hoffnungen erzeugt, die sie umgekehrt ihrerseits nährte. Und wann immer solche Gefühlslagen artikuliert wurden, kam die Dichotomie „künstlich“ versus „natürlich“ ins Spiel der Rhetorik - sei es, um prokreative Zukünfte zu legitimieren oder sie zu diskreditieren.  

 

Caroline Arniis Professor of General History from the 19th and 20th centuries in the Department of History at the University of Basel. She researches and teaches on socio-cultural history, the history of science, gender history, and Swiss history. She has recently completed a project on fetal life and prenatal imprinting in physiology, psychology, and medicine in the 19th and early 20th centuries out which her monographPränatale Zeiten. Das Ungeborene und die Humanwissenschaften (1800-1950) (Schwab 2018) will be published. Her research interests include motherhood and feminism, the global history of work, the history of friendship (the latter two being SNSF-funded projects). She is co-editor of the journal Historische AnthropologieL'Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft und Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte and the series Historische Wissensforschung (Verlag Mohr Siebeck).